Lektion aus Tiflis

Eigentlich sollte hier so bald nichts mehr zum Thema Ukraine erscheinen, doch wie es der Zufall will, hat der amerikanische Journalist Michael J. Totten bemerkenswerte Informationen zum Thema beizusteuern, die sich im Rückblick als so erhellend herausstellen, dass wir sie kurz erwähnen wollen.

„USSR 1936-07-03 registered cover Tiflis-Moscow“/ CC0 1.0

“Where the West Ends” lautet der Titel von Tottens 2012 erschienenem Buch, das von den Ereignissen auf der Krim noch nichts wissen konnte. Totten berichtet darin von seiner Begegnung mit dem ungarischen Politiker Mátyás Eörsi in der georgischen Hauptstadt Tiflis.

Eörsi erklärt dem amerikanischen Journalisten, wie es zur russischen Besetzung von “Südossetien” kam. Auffällige Parallelen bestehen jedenfalls zwischen dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in Prag 1956, den Ereignissen in der Tschechoslowakei 1968 und der Jahrzehnte später von Moskau erhobenen Behauptung, der georgische Präsident Saakaschwili habe Russland provoziert.

Diese Behauptung war in Moskau immer dann laut geworden, wenn ein der sowjetischen bzw. russischen Einflusssphäre zugehöriges Land versucht, seinen eigenen Weg zu gehen.

Während im Zuge der ersten NATO-Erweiterung gen Osten führende europäische Politiker reihenweise nach Moskau fuhren, um der russischen Seite zu versichern, man plane nichts, was den Interessen Moskaus schaden könne, war es der Sicherheitsberater der amerikanischen Regierung, Zbigniew Brzezinski, der vor dieser Beschwichtigungspolitik warnte.

Brzezinski hatte begriffen, dass der Verzicht auf eine Erweiterung in Moskau nur als Signal verstanden werde, die eigene Einflusssphäre auszubauen. Für einen Staat wie die russische Föderation sei es unmöglich, über den Verlust des Grossmachtstatus hinwegzukommen.

In der Sowjetunion, so Eörsi, haben Millionen Russen in Armut gelebt, aber immerhin Stolz darüber empfunden, eine Supermacht zu sein. Auf der Woge dieses empfundenen Verlusts segelt Wladimir Putin. Und an dieser Stelle, so schreibt Totten in seinem Buch, kam man auf das Thema Ukraine zu sprechen.

Wäre im Westen der politische Wille vorhanden gewesen, so Eörsi, hätte die Ukraine innerhalb eines einziges Tages NATO-Mitglied werden können – so wie es auch der Fall war mit Griechenland und der Türkei. Diese Chance wurde vertan, weswegen Eörsi prophezeite, dass die Ukraine stärker ins Fahrwasser Moskaus geraten werde. 

Er sollte recht behalten: 2010 wurde der pro-russische Viktor Janukowitsch Präsident der Ukraine. 

Das war aber noch nicht alles: Totten weiss auch zu berichten, was geschah, bevor es zum russischen Einmarsch in Südossetien kam. Russische Fernsehsender, so berichtete ihm eine Georgierin, hätten seinerzeit Georgien als faschistisches Land gezeichnet, das von Nazis regiert werde.

Kommt einem das nicht bekannt vor?

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