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Israels neue Allianzen

Einerseits scheint Israel nach dem Krieg im Gazastreifen international isolierter denn je zuvor – obwohl die Hamas die Schuld an der dortigen Zerstörung trägt –, was ebenso unfair ist, wie es vorhersehbar war. Doch aussenpolitisch hat Israel auch Gewinne zu verzeichen, die nicht nur im Nahen Osten die Kräfteverhältnisse verändern könnten.

Athen

Von der deutschen Öffentlichkeit wenig beachtet ist die Tatsache, dass Israel derzeit enger an Griechenland und Zuypern und damit an Europa heranrückt. Hintergrund ist die Energieversorgnung im Mittelmeer, deren Infrastruktur nach dem Willen der drei Länder die türkischen Ambitionen im Mittelmeer einhegen soll.

Denn die Türkei hat sich unter Recep Tayyip Erdogan nicht nur zu einem autoritären Staat gewandelt, sondern verhält sich Israel gegenüber zunehmend feindselig, während es die Hamas offen unterstützt. Zugleich tritt es im östlichen Mittelmeerraum in einer Weise auf, die Griechenland und Zypern als bedrohlich empfinden.

Im Zuge einer fortschreitenden Reislamisierung hatte die Türkei schon vor Jahren die Hagia Sophia als Moschee wiedereröffnet und damit Befürchtungen geweckt, es orientierte sich, obgleich NATO-Mitglied, mehr am Osmanischen Reich und damit an imperialen statt an westlichen Werten, sodass auch ein aussenpolitischer Kurswechsel zu erwarten war.

Machtprobe im östlichen Mittelmeer

Tatsächlich gibt es schon seit Jahrzehnten den Streit mit Griechenland um Seegrenzen, die sich am Festlandssockel bemessen, aber seit einiger Zeit mehreren sich die Zeichen, dass die Türkei Ansprüche auf Teile der Ägäis erhebt, in denen sich griechische Inseln befinden. Die Zusammenarbeit Israels mit Griechenland und Zypern betrifft daher mehr als nur die Energieversorgung.

Daher ist der «Great Sea Interconnector» zwischen den drei Ländern Ankara naturgemäss ein Dorn im Auge, das seinerseits versucht, den türkisch besetzten Norden Zyperns in die eigene Stromversorgung einzubinden. Denn wer die Stromversorgung anderer Länder kontrolliert, der hat die Macht über diese.

«A delegate from Somaliland votes» by United Nations Assistance Mission in Somalia/ CC0 1.0

So nimmt es nicht wunder, dass Israel auch gleich eine engere Sicherheitspartnerschaft mit Griechenland und Zypern eingegangen ist, wodurch Europas östliche mediterrane Flanke gestärkt wird. Das ganze ist eine insofern erstaunliche Entwicklung, weil Griechenland lange Zeit in Umfragen unter der Bevölkerung einen Zuspruch zu antisemitischen Überzeugungen zu verzeichnen hat wie kaum ein zweites Land in Europa.

In Griechenland resultiert der Antisemitismus zu einen aus der griechischen Kirche, zum anderen aus einem falschen Geschichtsverständnis, in dem man die Situation der Palästinenser in Analogie zur eigenen Situation unter osmanischer Herrschaft («turkokratia») setzt, die Israelis mithin als raumfrende Besatzer sieht. Mag sein, dass sich dies in der vergangenen Dekade geändert hat.

Was Israel betrifft, so hat es nun neben Taiwan als einziger Staat der Erde im Rahmen der «Abraham Accords» die Republik Somaliland anerkannt, das sich vor mehr als dreissig Jahren von Somalia abgespalten hat. Somaliland ist seit dieser Zeit politisch stabil geblieben und gilt gegenüber dem einstigen Mutterland als «teilweise frei«, so die NGO Freedom House, während Somalia als «unfrei» gilt.

Somaliland als Gegenentwurf

Man könnte meinen, dass eine Abspaltung aus politischen Gründen langfristig keine Chance hat, aber das Aussenministerium von Somaliland verweist darauf, dass auch andere Vereinigungen zerbrochen seien, darunter die Vereinigte Arabische Republik, die 1961 wieder aufgelöst wurde, ebenso die Union von Senegal und Gambia, oder die von Eritrea und Äthiopien.

Maisverkäufer in Beirut

Dass Somaliland, ein mehrheitlich islamisches Land, Israel anerkennt, ist insofern bedeutsam, als das einstige Mutterland Somalia nicht nur seir Jahrzehnten im Bürgerkrieg versinkt, sondern auch zu einem dschihadistischen Staat nach dem Vorbild des IS zu werden droht, wogegen Somaliland nicht nur ein Bollwerk sein könnte, sondern ein Gegenentwurf.

So benannte schon vor zwanzig Jahren eine Fact Finding Mission der Afrikanischen Union zwar einerseits Gründe, Somaliland nicht anzuerkennen, verwies andererseits aber darauf, dass eine Verweigerung der Anerkennung das Land daran hindere, genau die Aussenkontakte aufzunehmen, die es zu seiner Entwicklung dringend benötigt.

Natürlich verfolgt Israel hier eigene Interessen und so dürfte Somaliland von strategischem Wert sein, die mit Teheran verbundenen Milizen im Jemen zu bekämpfen. In jedem Falle könnte Israel hier ebenso als Game Changer fungieren wie im Falle des Libanon, das es gerade aus der Umklammerung durch die Hisbollah und damit der Islamischen Republik löst.

Nach Griechenland, Zypern und Somaliland ist nun auch Libanon ein Verbündeter, wenngleich einer wider Willen, denn beide Länder haben ihre Beziehungen noch längst nicht normalisiert. Wird die Hisbollah entmachtet, wäre Libanon nicht länger Teil der iranischen Achse und rückte näher an Israel und damit an den Westen heran. Zunehmend isoliert wiederfinden könnte sich dagegen Iran.

So definiert Israel die Spielregeln in der internationalen Politik zum Teil neu und zeigt, dass sicherheitspolitische Herausforderungen auch Chancen sein können.

Von Michael Kreutz

Orientalist (Dr. phil.), Politologe & Kulturjournalist. Website: www.michaelkreutz.net

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