Kriegstagebuch Aleppo (6)

Niemand ist an der Marokko-Konferenz interessiert, weil der Strom ausgefallen ist. Aber die Situation lässt nichts Gutes hoffen. Viele Menschen sind ohne Brot und Brennstoff.

Ein Jugendlicher ist an die syrisch-israelische Grenze zu seinem Bruder in dessen Militäreinheit gereist. Dieser sagte, dass es in der Einheit etwa 25 Personen gebe, die desertieren oder flüchten wollten.

Die Handelsaktivitäten sind in einem Zustand klinischen Todes. Viele Familien bereiten sich darauf vor, in benachbarte Länder auszureisen. Viele fällen Bäume in den Parks, um heizen und kochen zu können. Überhaupt niemand kümmert sich darum, was aus dem Land wird. Nur das Ich zählt, also lasst uns das Land niederbrennen.

Ein Freund aus Tartus rief mich an und erzählte mir, dass die Situation dort gut sei und das Leben normal. Auch Brot ist erhältlich. In Tartus ist es nicht so wie in Aleppo, wo ein kg Pasta mittlerweile 500 SYP kostet (= mehr als fünf Euro, M.K.), und das kg Brot 300 SYP (= mehr als drei Euro).

Am schlimmsten aber sind die mehr als schlechten und unterbrochenen Kommunikationsverbindungen. Was Aleppo dringend benötigt sind Lebensmittel, Hilfslieferungen und Elektrizität.

Aleppo, 12 .12. 2012

(Aus dem Arabischen von Michael Kreutz)

Autor: Muhammad H. (Gastautor)

Muhammad H. ist ein syrischer Exilant, der vor dem Krieg aus seiner syrischen Heimat in die Türkei geflüchtet ist. Er arbeitet heute in einer Künstlerkolonie im südtürkischen Kilis, von wo aus er die Ereignisse in Syrien ebenso wie die Stimmung in der syrischen Exilgemeinde verfolgt. Vor seinen "Mitteilungen aus Kilis" schrieb er für die transatlantic annotations das "Kriegstagebuch Aleppo".

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