Europa solle zwar nicht von einer fremden Macht dominiert werden, so steht es im neuen Strategiepapier des Weissen Hause, doch paradoxerweise habe der Krieg in der Ukraine dazu geführt, dass es mehr als zuvor vom Ausland abhängig geworden sei, wie es auch unrealistische Erwartungen an den Kriegsverlauf ebendort hege. Das ganze Papier lässt keinen Zweifel daran, dass man in Washington die Ukraine dem Kreml opfern will.

Explizit wird das zwar nicht gesagt, doch eine andere Schlussfolgerung erlaubt das Papier kaum. Was Russlands Krieg gegen die Ukraine angeht, so heisst es, dass eine grosse europäische Mehrheit sich Frieden wünsche, doch werde dieser Wunsch nicht in Politik umgesetzt, weil diverse Regierungen die demokratischen Prozesse untergraben. Welche das konkret sein sollen, verrät das Papier nicht.
Die Rede ist lediglich von instabilen Minderheitsregierungen in Europa, von denen «viele grundlegende Prinzipien der Demokratie mit Füssen treten, um die Opposition zu unterdrücken». Zudem, so wird befürchtet, könnte sich durch Zuwanderung der Charakter des Kontinents grundlegend zum Negativen ändern. Da die Europäischen Staaten jedoch reformunfähig seien, müssten die USA ihren Einfluss u.a. für «echte Demokratie» geltend machen.
Nun, im Kreml düften angesichts dieses Papiers wohl die Krimsektkorken knallen, denn das Strategiepapier liest den Europäern ordentlich die Leviten; es putzt sie herunter wie Schulbuben, die ihre Lektion nicht gelernt haben, während es dem Kreml faktisch grünes Licht für seine fortgesetzte Aggression gegen die Ukraine gibt. Jetzt hat Putin erst recht keinen Grund mehr zu verhandeln.
An dieser Stelle sei daran erinnert, dass Finnland seit zwei Jahren NATO-Mitglied ist und eine 1340 km lange Grenze mit Russland teilt. Vielleicht fühlt man sich im Kreml davon derart provoziert, dass man schon eine militärische Spezialoperation vorbereitet. Vielleicht arbeitet man aber auch an Plänen, sich den einstigen russischen Besitz Alaska wieder einzuverleiben – letzteres freilich kann den Europäern wohl ziemlich gleichgültig sein.
