Wer behauptet, dass die heute lebenden Deutschen kollektiv Schuld am Holocaust tragen? Die Antwort lautet: Niemand. Dies ist ein Popanz, den Rechtsextreme aufbauen, um den Holocaust vergessen zu machen. Denn darum geht es, nicht nur heute, am 27. Januar: Den Holocaust nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Wir können die sechs Millionen ermordeten Juden nicht mehr ins Leben zurückholen, ebensowenig wie die übrigen Opfer deutscher militärischer Aggression. Aber wir können dieser Opfer gedenken, um eine Lehre zu ziehen, damit sich ein Zivilisationsbruch wie der Holocaust nicht wiederholt. Damit kann kein Mensch, der fest im demokratischen Lager steht, ernsthaft ein Problem haben.
Diese Lektion beherzigt und vorbildlich im Umgang mit der eigenen Vergangenheit zu sein, wird den Deutschen allenthalben bescheinigt, dass es einem fast schon unheimlich wird. Zu den wenigen Juden, die öffentlich mit Deutschland ins Gericht gingen, gehören Ezer Weizman, der 1996 als erstes israelisches Staatsoberhaupt im Bundestag eine Rede hielt, sowie in jüngerer Zeit der Publizist Tuvia Tenenbom. Beide schlugen aber auch versöhnliche Töne an.
Ansonsten wird den Deutschen von allen Seiten Honig ums Maul geschmiert. Man könnte fast meinen, Deutschland wird vor allem deshalb so gelobt und bewundert, weil man Angst hat, es könne rückfällig werden. Vor diesem Hintergrund ist es einfach nur perfide, wenn Rechtspopulisten und Rechtsextreme, aber auch ganz normale Durchschnittsbürger meinen, es „müsse doch endlich einmal Schluss sein.“ Im Gegenteil: Erinnerung muss sein, Verantwortung muss sein. Weil die Lehre aus der Geschichte das einzige ist, das uns bleibt, wenn wir die Geschichte selbst nicht rückgängig machen können.
Die Deutschen sind kein Opferkollektiv, sondern eine freie und wohlhabende Nation mit Luxusproblemen wie dem, was mit sechs Milliarden Euro Steuerüberschuss geschehen solle. Was die Zuwanderung der letzten beiden Jahre für Konsequenzen haben wird, ist ohnehin schwer einzuschätzen, aber auch mangelnder Integrationswille noch so vieler Zuwanderer würde uns nicht zu Opfern machen. Dass Deutschland Teil des Westens geworden ist, von der völkischen Ideologie Abschied genommen hat und demokratisch gereift ist, sollte Grund zur Dankbarkeit sein. Die Erinnerung an den Holocaust ist Teil dieser demokratischen Kultur.