Integration im Endstadium

DER EINE: Bilder von der Loreley, Schloss Benrath, dem Kölner Dom, der Semperoper – wie sieht denn deine Timeline auf Facebook aus? Bist du als Tourist in Deutschland auf der Suche nach Fotomotiven?

DER ANDERE: Ich finde, Deutschland ist ein tolles Land. Ich bin doch Deutscher. Eingewandert aus …, aber Deutscher. Schon seit mehr als zehn Jahren!

„The Lorelei“ von Albert Pinkham Ryder, born New Bedford, MA 1847-died New York City 1917/ CC0 1.0

DER EINE: Das machst du ganz falsch. Einen wirklichen Deutschen erkennt man daran, dass er mindestens einmal am Tag auf seine Landsleute schimpft und sein Land verwünscht.

DER ANDERE: Warum das?

DER EINE: Na, ist doch ganz klar. Man ärgert sich immer über die eigene Familie, weniger über die Familie der anderen. Genauso ärgert man sich immer über sein eigenes Land, nicht über andere Länder. Jedenfalls nicht offen.

DER ANDERE: Das stimmt. Mir fällt es leichter, etwas Böses über meine Familie zu sagen, wenn ich mich ärgere, als über die Familien von anderen. Umgekehrt, denke ich, steht es anderen nicht zu, so über meine Familie zu schimpfen, wie ich es manchmal tue.

DER EINE: Siehst du. So geht es mir jeden Tag mit Deutschland. Wenn ich mir den Ökofimmel der Deutschen ansehe, wie sie mit Umweltzonen, Windrädern und Solartechnik die Umwelt retten wollen, bete ich [faltet die Hände], möge der Herr dieses Land auf die dunkle Seite des Mondes schiessen! Wenn ich den Rassismus und Fremdenhass der Deutschen sehe, dann flehe ich das Schicksal an [reckt die Hände gen Himmel], es möge eine Bombe auf dieses Land werfen! Wenn ich höre, die Deutschen wollen der Welt eine Lektion in Demokratie erteilen und meinen, Angela Merkel sei die Führerin der freien Welt, dann [schüttelt die Faust] wünsche ich mir, jemand möge die Deutschen in einen Sack stecken und den Knüppel drauf für ihre Hybris!

DER ANDERE: Wirklich?

DER EINE: Klar doch, versuch es mal! Sag “Möge der Herr dieses Land auf die dunkle Seite des Mondes schiessen!”

DER ANDERE [die Hände faltend]: Möge der Herr dieses Land auf die dunkle Seite des Mondes schiessen!

DER EINE: Jetzt flehe das Schicksal an, es möge eine Bombe auf dieses Land werfen!

DER ANDERE [die Hände gen Himmel reckend|: Möge das Schicksal eine Bombe auf dieses Land werfen!

DER EINE: Und jetzt sag “Jemand möge die Deutschen in einen Sack stecken und mit dem Knüppel verhauen!”

DER ANDERE [die Faust schüttelnd]: Jemand möge die Deutschen in einen Sack stecken und mit dem Knüppel verhauen!

DER EINE: Na bravo! Es geht doch. Willkommen im Club. [Sie umarmen einander.] Wie fühlt es sich an?

DER ANDERE: Beschissen.

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