Wannseekonferenz

Goldstein heisst ein Soldat in Norman Mailers Roman “Die Nackten und die Toten” und Mailer lässt ihn sich an eine unangenehme Begegnung mit einem zornigen Mann erinnern, einen groben Klotz von einem Bauernjungen. Brutal sei sein Gesicht gewesen, womit Goldstein bei einer ganz anderen Geschichte anlangt: “Das war das Gesicht, das hinter allen Judenpogromen stand.“

Es war auch das Gesicht der Bürokraten und Technokraten, die vor achtzig Jahren bei Kaffee und Häppchen den weiteren Verlauf der Judenvernichtung besprachen. Eigentlich wollte ich den ZDF-Film über die Wannseekonferenz gar nicht sehen. Was konnte man schon gross erwarten? Neues jedenfalls nicht. Aber er macht eine Schlüsselszene der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gerade dadurch erfahrbar, dass ihr jegliches Spektakel abgeht.

Ich ertappte mich einige Male dabei, wie ich mich an die absurde Hoffnung klammerte, es möge doch wenigsten einen oder zwei unter den Teilnehmern geben, die sich noch einen Funken Menschlichkeit bewahrt haben. Der Verstand weiss natürlich, dass das nicht der Fall ist. Hier sitzt eine Nazi-Elite zu Tisch, die jeden Anflug von Menschlichkeit schon lange abgeworfen hat.

Wenn von menschlichen Tragödien die Rede ist, dann nur als Sorge um die psychische Verfassung der eigenen Soldaten, Menschen Tag und Nacht in immenser Zahl umbringen zu müssen. Als eine Alternative zur Ermordung eines Teils der eigenen Bevölkerung, der sog. Halb- und Vierteljuden, zur Sprache kommt, geht es allein um Sterilisation und Absonderung.

Ein dunkler Schatten legt sich über das Gemüt, wenn man sich den ZDF-Film ansieht. Das macht ihn so wertvoll und darum sollte ihn jeder sehen. Die Ermordeten können nicht ins Leben zurückgeholt, aber ihrer Geschichte kann erinnert werden – und der ihrer Mörder, die sich auf der Wannseekonferenz einzureden versuchten, ihr schändliches Tun sei nichts als die unvermeidliche Gegenwehr eines ihnen aufgezwungenen Krieges.

„Selbst Grausamkeit kann einen Zug von Grösse haben,“ schrieb einmal der Historiker Sebastian Haffner und nannte als Beispiele die Französische Revolution sowie den russischen und spanischen Bürgerkrieg. “Die Nazis dagegen”, fuhr er fort, trugen nichts anderes als „die scheue, feige und bleiche Fratze des leugnenden Mörders“.

Translate