Das schäbige Spiel des Friedrich Merz

Gerade wenn man sich dem bürgerlichen Lager zuordnet und sich irgendwo zwischen liberal und konservativ definiert, sollte man sich eingestehen, dass Friedrich Merz der Demokratie schwer geschadet hat – und das keineswegs allein, weil er für sein Gesetzesvorhaben Stimmen der AfD bekommen hat.

Richtig ist, dass die irreguläre Migration über das Asylrecht kein dauerhafter Zustand bleiben kann. Die irreguläre Migration muss in eine reguläre überführt werden; anstelle des Kontrollverlustes darüber, wer dauerhaft nach Deutschland gelangt, muss wieder die Kontrolle stehen. Ja zur Einwanderung, aber wir wollen bestimmen, wer kommen darf.

Soweit, so gut. Das dürfte in etwa Konsens im bürgerlichen Lager sein. Die CDU unter Friedrich Merz hat nun für ihr sog. Zustrombegrenzungsgesetz in einer ersten, rechtlich nicht wirksamen Abstimmung, neben den Stimmen von vielen FDP-Abgeordneten vor allem solche aus der AfD bekommen, was er vor einigen Monaten noch ausgeschlossen hatte: Die CDU sollte nicht auf die AfD als Mehrheitsbeschafferin angewiesen sein und damit in deren Schuld stehen.

Merz übernimmt Rhetorik und Taktik der AfD – das ist der Sündenfall

Nun ist das Zustrombegrenzungsgesetz gescheitert und bei CDU und FDP versucht man, der SPD und den Grünen die Schuld in die Schuhe zu schieben: Hätten deren Abgeordnete für das Gesetz gestimmt, wäre es irrelevant gewesen, wie die AfD abstimmt. Allerdings war abzusehen, dass SPD und Grüne dem Gesetz mehrheitlich nicht zustimmen würden.

Nein, das Skandalöse ist, dass Merz die Taktik und Sprache der AfD übernommen hat! Er macht Stimmung gegen Aslybewerber, die er vor allem mit Kriminalität in Verbindung bringt. Er schürt Sicherheitsängste, wobei er Zahlen nennt, die seiner Phantasie entsprungen sind. Tatsächlich ist Deutschland ein im internationalen Vergleich eher sicheres Land. Die Tat von Aschaffenburg gehört in den Kontext mangelnder psychiatrischer Betreuung, nicht in den der Migrationspolitik.

Die CDU unter Merz will auch den Familiennachzug von subsidiär Schutzbedürftigen einstellen, was den Beifall der AfD findet, aber eben auch den Fakt kaschiert, dass der Familiennachzug jetzt schon stark reglementiert ist. Dass junge Männer aus Syrien hier einen Status als anerkannte Flüchtlinge oder Asylbewerber erlangen und dann ganze Grossfamilien nach sich ziehen könnten, ist extrem unwahrscheinlich, weil aktuell gar kein Anspruch darauf besteht. Wer etwas anderes erzählt, betreibt Panikmache, nichts weiter.

Man könnte auch sagen: Friedrich Merz betreit das Geschäft der Hetze. Und übernimmt damit Rhetorik und Taktik der AfD, einer Partei, die zur Hälfte im rechtsradikalen Sumpf steckt und permanent Sicherheitsängste schürt. DAS ist der Sündenfall der deutschen Demokratie. Von der SPD und den Grünen, die vor einiger Zeit seiner Partei als mögliche Koalitionspartner im Bund noch respektabel erschienen, hat Merz seine Partei entfremdet. Die Gräben haben sich vertieft.

Der AfD auf diese Weise Stimmen abzujagen, wird schon deshalb misslingen, weil die Entscheidung für eine Partei für viele, wenn nicht für die meisten Menschen, eine Identitätsfrage ist. Schliessen sich die etablierten Parteien gegen die AfD zusammen, fühlt diese sich in ihrem Kurs bestätigt. Übernehmen sie die Argumente der AfD, fühlt diese sich ebenfalls bestätigt. Hier gibt es für die CDU nichts zu gewinnen.

Dafür ist Merz auf dem besten Weg, die CDU in Rhetorik und Taktik zu einer zweiten AfD zu machen. Er sollte einsehen, dass er damit nur Unheil anrichtet und dem Land im allgemeinen und dem bürgerlichen Lager im besonderen Schaden zufügt.


Nachtrag 9. Februar 2025

In einer offenen Stellungnahme fordern mehr als sechzig Kriminologen mehr Sachlichkeit in der Debatte über den Zusammenhang von Zuwanderung und Kriminalität. Sie kritisieren u.a. „dass Kriminalstatistiken oft unsachgemäß genutzt werden.“

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