Nach dem Kalifat

Im Irak ist der das sog. Kalifat des Abu Bakr al-Baghdadi auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet, seitdem die irakische Armee Mosul zurückerobert hat. Auch Raqqa, die faktische Hauptstadt des Kalifats, wird fallen und eine unfassbar grausame Terrorbande, die nur dank der Uneinigkeit ihrer Feinde so lang hat existieren können, wird zertreten werden wie eine ausgerauchte Zigarette.

Das Verbrennen von Menschen bei lebendigem Leib, dass massenhafte, serielle Enthaupten, In-Säure-Ertränken, Foltern, Morden, Verstümmeln und Vergewaltigen sowie die Versklavung ganzer Volksgruppen zu beenden, war eine der dringlichsten Aufgaben auf diesem Planeten.

Zu den noch harmloseren Verbreche des IS gehörte ein grosser Käfig, der inmitten einer Kreuzung in Raqqa platziert war, um als Gefängnis für Menschen zu dienen, deren Verbrechen es war, geraucht, Musik gehört oder Karten gespielt zu haben. Derart im Käfig gefangen, durften sie von Passanten angepöbelt, bespuckt und mit Steinen beschmissen werden.

Mittlerweile ist das Netz von von Videoclips, die zeigen, wie die letzten IS-Kämpfer gejagt und erschossen werden – von kurdischen Peschmergas, der syrischen Armee, der irakischen Armee oder von schiitischen Milizen. Die Shuaitat, ein Beduinenstamm, der schwer unter dem IS gelitten hat, kämpfen mit an vorderster Front gegen den IS in Raqqa. Sie haben noch eine Rechnung zu begleichen.

Irakische Medien sprechen in Verballhornung der Eigenbezeichnung als Dawlat al-Khilāfa – „Staat des Kalifats‟ – nur von Dawlat al-Khurāfa – „Staat des Aberglaubens.‟ Propagandistisch hat der IS dem kaum noch etwas entgegenzusetzen, weil seine Kämpfer zum einen mit dem eigenen Überleben beschäftigt sind, aber auch, weil die USA schon seit längerem die IS-Experten für soziale Medien einen nach dem anderen ausgeschaltet hat.

Der letzte Rest des IS kämpft um sein Leben. Brett McGurk, der Sondergesandte der weltweiten Anti-IS-Koalition hat deutlich gemacht, dass man ausländische IS-Kämpfer nicht gefangennehmen werde. Eine Chance auf Gnade haben einzig IS-Kämpfer, die syrischer Herkunft sind und glaubhaft machen können, dass sie zum Kampf gezwungen wurden. Die ausländischen Kämpfer jedoch, ob sie nun aus Tunesien, Tschetschenien, Abchasien, Afghanistan, Deutschland, Frankreich oder von sonstwoher kommen, werden in Raqqa ihren Tod finden, ohne Aussicht auf Entkommen.

Das Ende des Kalifats ist auch deshalb eine gute Nachricht, weil die apokalyptische Verheissung, mit der jenes sich legitimiert hat, als Lüge eines Scharlatans entlarvt und damit auf lange Sicht diskreditiert ist. Kein Zweifel, der Sieg über den IS ist ein Tag des Jubels und der Freude. So viel Leid hat nun ein Ende, die Gerechtigkeit hat gesiegt.

Dennoch: Zahlreiche Rückkehrer von ausserhalb Mossuls und Raqqas werden ihren Heimatländern noch Schwierigkeiten bereiten und gerade in Südostasien fürchtet man, dass mit dem Ende des IS sich die eigene Sicherheit nicht zwangsläufig verbessert haben muss.

Hier zeichnet sich ab, dass eine andere Strategie, die verschiedene Sicherheitsexperten präferierten, die bessere hätte sein können, nämlich den IS zu schwächen anstatt ihn zu vernichten, und zwar dadurch, dass man ihn gegen die schiitischen Milizen ausspielt, die keinen Deut besser sind als der IS, und zudem noch mit den Interessen Teherans verwoben sind.

Teheran versucht schon seit einiger Zeit, strategische Tiefe in Syrien und dem Irak zu gewinnen, was sich nicht zuletzt gegen Israel richtet. Das Ende des IS markiert wohl nur ein neues Kapital des Krieges im Nahen Osten und des Terrorismus in der Welt. Darauf müssen wir gefasst sein.

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