Manche Mythen sind nicht totzukriegen. Dazu gehört der vom Sturz des iranischen Ministerpräsidenten Mossadegh 1953. Thomas Gutschker macht sich mit einem Artikel in der FAS zum willigen Werkzeug iranischer Staatspropaganda, wenn er die Expansionspolitik des Regimes mit historischen Erfahrungen zu verstehen versucht, wie sie Funktionäre ebendieses Regimes formulieren.
Der Schah mochte wenig Rückhalt in der Bevölkerung haben, aber seine wiederholte öffentliche Demütigung durch Mossadegh haben damals viele Iraner als unwürdig empfunden. Mossadegh hatte seine Popularität 1952 ausgenutzt und den Schah unter Druck gesetzt, ihm die Armee zu unterstellen oder selbst zurückzutreten. Am Ende nahm er für sich den Titel des Oberbefehlshabers in Anspruch, der eigentlich dem Schah zustand. Forscher wie Abbas Milani haben detailliert nachgezeichnet, wie Mossadegh mit seiner Politik die Menschen zunehmend gegen sich aufbrachte.
Die Entmachtung des Parlaments, das noch in seiner Amtszeit gewählt worden war, versuchte Mossadegh durch ein Referendum zu legitimieren, wobei er seine Verachtung für die Demokratie nicht zuletzt dadurch bewies, dass er sich als Ministerpräsident des Volkes und nicht, wie vorgesehen, des Königs oder des Parlaments betrachtete. Dass Mossadegh für das Referendum separate Wahlurnen für Regierungsgegner aufstellen wollte, unterstreicht dies noch. Selbst Christopher de Bellaigue, Verfasser einer Biographie über Mossadegh und ein Apologet des herrschenden Regimes, kommt nicht um die Feststellung herum, dass Mossadegh der Demokratie Schaden zugefügt hat („… the prime minister was exploiting his personal magnetism at the expense of democracy‟).
Sowohl der Schah als auch die amerikanische Botschaft sahen in der Entmachtung einen weiteren Schritt hin zu einer autoritären Regierung. Nicht nur Kritiker und Gegner Mossadeghs stellten sich nunmehr offen gegen seine Regierung. Selbst eine überragende Gestalt wie Ajatollah Hossein Boroudjerdi wandelte sich von einem Anhänger Mossadeghs zu einem Unterstützer des Schahs. Dass der zunehmend isolierte Mossadegh Unterstützung u.a. bei der kommunistischen Tudeh-Partei gesucht haben soll, ist zwar umstritten und Ervand Abrahamian, Verfasser eines Buches über die Ereignisse von 1953, glaubt sogar, dass die Nähe zur Tudeh nur ein Popanz sei, mit dem die USA Mossadegh diskreditieren wollten.
Mit Gewissheit sagen lässt sich aber, dass in dem Masse, wie Mossadeghs Lager sich radikalisierte, seine Gegner umso vereinter wurden, wobei sie sich in ihrer Haltung auf die britische und amerikanische Unterstützung verlassen konnten. Was auch immer die USA und Grossbritannien 1953 zum Sturz Mossadeghs unternommen haben und was auch immer die amerikanischen Archive an Informationen darüber liefern mögen, so sagen sie wenig über die Stimmung im Lande selbst aus.
Nicht nur Abbas Milani fragt sich, wie eine angeblich so populäre Regierung dermassen leicht gestürzt worden sein soll. Die Vorstellung von einer nahöstlichen Demokratie, die durch den Sturz Mossadeghs ein jähes Ende gefunden habe, ist jedenfalls gleich nach der Revolution von 1979 durch das islamische Regime gefördert worden (ohne dass freilich die Demokratie wiederhergestellt worden wäre).
Hierzulande wird der Buchmarkt zum Thema Mossadegh von Autoren wie Michael Lüders oder dem Doktoranden Peyman Jafari beherrscht, die ganz auf der Linie des herrschenden Regimes (Lüders) oder der kommunistischen Tudeh (Jafari) argumentieren, ohne anderslautende Forschungserkenntnisse überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.
Die Feindschaft des herrschenden Regimes gegenüber Israel, die Unerbittlichkeit gegenüber den Bahais und die Terrorisierung der eigenen Bevölkerung liesse sich aber selbst dann nicht mit den Ereignissen von 1953 erklären, wenn sie dem entsprächen, was Funktionäre des Regimes und dessen Apologeten hierzulande einer westlichen Öffentlichkeit weismachen wollen.
Die Aussagen von iranischen Politikern, Regierungsberater und Fachleuten, die die International Crisis Group befragt hat, als repräsentativ für die iranische Bevölkerung zu nehmen, ist ein starkes Stück. So leicht wäre Gutschker wohl keiner anderen Diktatur auf den Leim gegangen.