Nivellierter Hass

Es ist herrlich absurd, wie sich die „Süddeutsche“ bemüht, jegliche Kritik am jüngsten Vortrag der Publizistin Carolin Emcke abzuwehren. Emcke, die zu denen gehört, die die Gefahr für die freiheitliche Grundordnung irgendwie immer nur von rechts kommen sehen, warnte kürzlich in einem Vortrag:

„Youth Climate Strike“ von Minnesota Senate DFL/ CC0 1.0

„Es wird sicher wieder von Elite gesprochen werden. Und vermutlich werden es dann nicht die Juden und Kosmopoliten, nicht die Feministinnen oder die Virologinnen sein, vor denen gewarnt wird, sondern die Klimaforscherinnen.“

Carolin Emcke

Das Partizip „gewarnt ist hier zentral: Emcke erweckt den Eindruck, als sei irgendwann in der Vergangenheit vor Juden und Kosmopoliten „gewarnt“ worden. Aber vor dem Krieg ist vor Juden und Kosmopoliten mitnichten „gewarnt“ worden, vielmehr wurden Juden wurden entmenschlicht und dämonisiert.

Warum aber spricht Emcke das nicht in aller Deutlichkeit aus? Warum erinnert sie nicht daran, dass der Weg zur millionenfachen Judenvernichtung mit einer entmenschlichenden Rhetorik begann?

Zwar sind Klimaforscher, die sich in die Öffentlichkeit wagen, mitunter viel Hass ausgesetzt, allerdings wohl in den seltensten Fällen einem Hass von der Sorte, wie ihn Juden vor dem Holocaust erdulden mussten. Dieser Hass ging bis zur Gleichsetzung mit Ungeziefer.

Emckes Wortwahl dient daher einem ideologischen Zweck: Sie will Klimaforscher zu Opfern einer Welle des Hasses machen, die zuvor schon Juden und Kosmopoliten getroffen hat, und das kann sie nur, indem sie die Rhetorik der Entmenschlichung gegen Juden nivelliert.

In der „Süddeutschen“ will man das jedoch nicht wahrhaben und verteidigt Emckes Behauptung, das Objekt, auf das sich der empörte Protest richte, sei „so austauschbar wie mutwillig“. Aber in rechtspopulistischen und -extremen Kreisen sind Juden nicht einfach gegen Klimaforscher austauschbar.

Letztere werden gehasst, wenn sie als Projektionsfläche von Wahntheorien dienen, die sonst gegen Juden gerichtet sind. Aber Klimaforscher werden kaum als solche gehasst und sind schon deshalb nicht Beleg einer vermeintlichen Austauschbarkeit der Objekte rechten Hasses.

Emcke unterschlägt das Spezifische des Judenhasses und die „Süddeutsche“ will es ebensowenig einsehen. Wenn es aber um gruppenbezogenen Hass geht, dann gilt: Die Juden von heute sind immer noch die Juden.

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