Jedes Land erhält die Geisteswissenschaftler, die es verdient. Deutschland hat den Sozialphilosophen Jürgen Habermas, dessen wissenschaftliches Programm sich in die Formel „Links ist das neue liberal“ fassen lässt.
Habermas nimmt den guten Namen des Liberalismus, um ihn für die Linken in Anspruch zu nehmen, was eine begeisterte Resonanz in nahezu sämtlichen Feuilletons dieses Landes findet. Wenn Journalisten heute die „Grünen“ als liberale Partei bezeichnen, dann ist Habermas der Urheber dieses Etikettenschwindels.
Habermas glaubt, dass eine staatsbürgerliche Solidarität, die sich über den demokratischen Prozess institutionalisiert, kumulative Lernprozesse in Gang setzen und in der politischen Öffentlichkeit „einen Resonanzboden für den vielstimmigen Protest der ungleich Behandelten, der Unterprivilegierten und Missachteten“ schaffen könne.“
Die tieferen Ursachen eines solchen Protestes führt er zurück auf die „penetranten Mechanismen des Marktes“ und eine „Austrocknung von Ressourcen gesellschaftlicher Solidarität als die Folge der Invasion von Tauschbeziehungen und bürokratischen Regelungen“ in die Lebenswelt. Die „Lebenswelt“, für Habermas bestehend aus Privatsphäre und Öffentlichkeit, bringt er gegen das „System“ in Stellung, das er als Staat und Wirtschaft definiert.
Vor diesem Hintergrund mutet es schon sonderbar an, dass Habermas nun ausgerechnet aus Abu Dhabi den mit 225.000 Euro dotierten Sheikh Zayed Book Award für die „Kulturelle Persönlichkeit des Jahres“ verliehen bekommen sollte. Abu Dhabi ist zwar nicht die übelste Diktatur auf diesem Planeten, sondern vergleichsweise tolerant und prosperierend.
Habermas hätte diesen Preis zwar insofern annahmen können, als er Abu Dhabi beim Wort hätte nehmen und demokratische Reformen einfordern können, doch musste er erst der Presse entnehmen, dass das Land demokratische Regeln systematisch missachtet. So weltfremd können nur Geisteswissenschaftler sein!
Doch hätte in anderer Hinsicht der Preis nicht zu Habermas gepasst, denn Abu Dhabi ist ein Musterland globalisierter Wirtschaft. Kaum vorstellbar, dass dort irgendwer dem Satz von Habermas: „Die Globalisierung von Märkten, Medien und anderen Netzwerken lässt heute keiner Nation mehr eine aussichtsreiche Option für den Ausstieg aus der kapitalistischen Modernisierung“ etwas abgewinnen dürfte.
Habermas darf also weiter vom Ausstieg träumen und mit der Absage des Preises wird ihm auch die Erkenntnis erspart bleiben, dass die kapitalistische Modernisierung tausendmal besser ist als die soozialistische Mangel- und Günstlingswirtschaft an deutschen geisteswissenschaftlichen Fakultäten.