Störrische Schotten

Der englische König Edward I. (1277-1307) war ein fortschrittlicher Staatsmann, der die Staatsbürokratie auf Vordermann brachte und unter dessen Herrschaft die Wirtschaft aufblühte. Den Engländern ist er vor allem als Eroberer von Wales 1284 ein Begriff, dem Beginn des späteren Königreichs Grossbritannien, und als Reformer des englischen Parlamentarismus hin zu mehr Repräsentation.

Anders bei den Schotten. Diese haben nicht vergessen, dass Edward ihr Land seiner Herrschaft mit allen Mitteln einverleiben wollte. Als jener mit seinem Vorhaben gescheitert war, eine Marionette auf dem schottischen Thron zu installieren, überzog er Schottland 1295 mit Krieg und verwüstete Edinburgh. Ein Mann – zwei Wahrnehmungen.

Jetzt stimmen die Schotten über ihr Ausscheiden aus Grossbritannien ab und einmal mehr zeigt sich, wie langlebig das kulturelle Gedächtnis sein kann. Mehr als 700 Jahre nach Edwards Expansionspolitik ist ein geeintes Grossbritannien – als Monarchie bilden Schottland und England erst seit 1707 eine Einheit – noch immer alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Mein Plädoyer zum Referendum? Sorry, not my cup of tea.

Aber soviel darf ich sagen: Ich würde es bedauern, wenn Grossbritannien zerfiele.

(Abb. Teil einer Skulptur vor dem Buckingham-Palast, 2010. Foto (c) Michael Kreutz.)

 

Erinnerungen an die Habsburgermonarchie

In der NZZ widmet sich der Historiker Timothy Snyder der Frage, was ein Reich wie die Habsburgermonarchie, die sechshundert Jahre Bestand haben konnte, zu Fall gebracht hat und welche Lehre ihr Ende für die heutige EU parat hält. Snyder bezweifelt, dass es innere Schwächen waren, die zum Zerfall des Staatsgebildes geführt haben, obwohl, wie er einräumt, im 19. Jahrhundert “der Nationalismus buchstäblich im ganzen Reich um sich griff”.

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Muslimischer Fundamentalismus in Europa

Besonders kleine Kinder leiden unter dem autoritäten Erziehungsstil im Elternhaus, der auch mit körperlicher Gewalt einhergeht. Sie werden so zu unbedingtem Gehorsam erzogen, weiss die Islamkundelehrerin Lamya Kaddor in ihrem Buch „Muslimisch–Weiblich–Deutsch‟ (2010) über ihre muslimischen Schüler im Dinslakener Stadtteil Lohberg zu berichten. Und: „Die aus einer Mixtur von Religion und Tradition stammenden Regeln greifen vor allem mit Beginn der Pubertät.“

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Der Kritiker als Retter (2)

David Cameron ist der letzte Europäer unter den Staatsmännern Europas, denn er hat erkannt, dass es kein europäisches Demos gibt und die Union nur eine Chance als Netzwerk hat, nicht als Block. Und die Reaktion der deutschen Medien? Nichts als Häme, selbst von seiten der FAZ.

Schlagzeile der FAZ von heute unter einem Bild des Ärmelkanals im Nebel spielt auf den Inselcharakter Grossbritanniens und zugleich auf den offenbar als weltfremd betrachteten Wunsch Camerons an, ein Referendum über den Verbleib seines Landes in der Europäischen Union abzuhalten. Über “Inselbewohner” wird dort gewitzelt, die ihre geographische Lage nicht als das “Stigma” begriffen, als das man es in Frankfurt erkannt hat.

Wenn selbst die bürgerliche Presse mit solch einer Häme und Niedertracht reagiert, dann sagt das viel über den geistigen Zustand der Europäischen Union aus. Bezeichnend, dass in den Medien jetzt auch von Erpressung gesprochen wird – so also ob ein griechischer Politiker namens Alexis Tsipras nicht noch vor einem Jahr ganz offen die Union damit erpresst hätte, dass ein Ende der Dauersubventionierung Griechenlands die Union noch viel teurer werde zu stehen kommen. Damals hat sich die Aufregung des europäischen Auslands in Grenzen gehalten.

Der Kritiker als Retter

Der britische Premier Cameron hat sich in seiner heutigen Rede klar positioniert. Das allein mag schon ungewöhnlich für einen Politiker sein, noch ungewöhnlicher aber war, dass hier jemand für Werte einsteht, die im heutigen Europa nicht mehr sonderlich angesagt scheinen.

Ich selber habe die Idee der europäischen Einheit immer befürwortet, bin ich den letzten Jahren allerdings zunehmend skeptischer geworden, was die Richtung der EU betrifft, in die sie sich bewegt.

Was Cameron sagte, war eine erfrischende Abwechslung zum ganzen EU-Vertiefungsgetöse, das uns überall entgegendröhnt. Die EU werde von britischer Seite mehr als Mittel denn als Zweck verstanden, sie sei dazu da, Frieden und Wohlstand zu sichern, doch stelle sie keinen Selbstzweck dar. Cameron würdigte die Leistungen der EU in Hinsicht auf genau diese Aspekte und wies Gerüchte zurück, er sei ein Isolationist.

Grossbritannien, das stellte Cameron klar, habe europäische Kontinentalgeschichte geschrieben, wie auch der Kontinent britische Geschichte geschrieben habe. Sein Land könne und wolle sich nicht vom Kontinent abschotten, aber die EU habe nur dann Erfolg, wenn sie ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht aufs Spiel setze.

Die EU, so Cameron, werde wirtschaftlich von verschiedener Seite herausgefordert, worauf sie Antworten geben müsse, wolle sie nicht im Niemandsland zwischen den USA und Asien versacken. Die EU habe daher nur als flexibles Netzwerk eine Chance, nicht als starrer Block. Entscheidend sei denn auch der gemeinsame Markt, nicht eine gemeinsame Währung.

Ein Schlüsselwort der Cameron’schen Rede lautete “flexibility”: Die Flexibilität, auf diesem Markt zu agieren, werde die EU stärker zusammenbinden – was ein Zwang von oben nicht bewirken könne. Daher tritt Cameron auch für eine stärkere Rolle der nationalen Parlamente ein, zumal es einen europäischen Demos nicht gebe. Recht hat er!

Nicht nur die Finanzkrise bildet den Hintergrund dieser zutreffenden Feststellungen, auch andere, weniger spektakuläre Ereignisse zeigen, warum Cameron den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Deutlich wird dies z.B. auf dem Gebiet der Softwaretechnologie für Handys, an die Europa mittlerweile den Anschluss verloren hat. Siemens und Nokia können schon längst nicht mehr mit den Entwicklungen aus Asien und den USA konkurrieren.

Nokias Kooperation mit Microsoft hat man nicht umsonst “eine Allianz der Verlierer” genannt. Zwischen Apples iPhone (USA) auf der einen Seite und den Samsung-Geräten (Korea) mit Googles Android-Software (USA) ist Europa mittlerweile zum reinen Absatzmarkt herabgesunken. Dieses Menetekel sollte Europa zum Handeln bewegen, doch ist davon bisher nicht viel zu spüren.

Die Fehlentwicklung der EU lässt sich auch gut an der Slowakei studieren, die 2004 mit der Einführung einer Einkommens-Flattax den Weg zu einer wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte geebnet hat, auch wenn es noch längst nicht den Wohlstand der westlichen EU-Länder erreicht. Der Mut zu einer tiefgreifenden Reform hat nun paradoxerweise dazu geführt, dass die relativ arme Slowakei mithelfen musste, die Banken des relativ wohlhabenden Spanien zu retten.

Hier werden falsche Anreize gesetzt: Wer reformiert, muss andere retten – wer sich der Reform verweigert, darf auf Rettungsgelder hoffen. Wenn das die Zukunft Europas sein soll, dann hat der Kontinent keine Zukunft. Cameron fordert zu Recht, dass die EU sich ändern müsse – oder Grossbritannien werde möglicherweise austreten. Ein britisches Referendum soll Klarheit schaffen.

Und die Reaktionen darauf? Bislang scheint unter deutschen Kommentatoren die Häme zu überwiegen. Camerons Optimismus ist denn wohl auch die einzige Fehleinschätzung, die man eines vielleicht nicht allzu fernen Tages ihm rückwirkend wird vorwerfen können.

Gefangen im Labyrinth

Fremde Mächte, die mittels versteckter Maschinen kontrolliert Waldbrände auslösen – wer solchen Gerüchten Glauben schenkt, lässt sich auch sonst jeden Bären aufbinden. Schlimm nur, wenn ein erheblicher Teil der Bevölkerung solchen Wahnvorstellungen anhängt; noch schlimmer, wenn auch die Regierung davon befallen ist. Aus einer recht lesenswerten Analyse des Deutschlandbildes im gegenwärtigen Griechenland:

Als im August 2007 Waldbrände in Griechenland wüteten, schob der Minister für öffentliche Ordnung, Viron Polidoras, das Versagen seiner Regierung […] den “allgemeinen Windverhältnissen” zu. Ausgerechnet zu dieser Zeit, so argumentierte er, habe der Wind seine Richtung geändert und dadurch die Arbeit der Feuerwehr behindert. […]

Da sie Routine darin haben, Sündenböcke zu finden, ist es keine Überraschung, dass griechische Politiker seit dem Oktober 2009 eine ähnliche Kommunikationsstrategie angewendet haben.

[…] Die emotional aufgeladene Botschaft, die Griechenlands politische Eliten aussenden: Die Hellenische Republik wird von einem Land mit einer furchtbaren und unverzeihlichen Vergangenheit in einer Art Labyrinth gefangen gehalten.

Gemeint ist natürlich der ökonomische Riese im Norden: Einer in diesem Jahr durchgeführten Meinungsumfrage zufolge sollen 79 Prozent der befragten Griechen eine negative Einstellung gegenüber Deutschland hegen. (Die Analyse gibt es zum Download hier.)

[Aus dem Archiv.]

Zur abendländischen Denktradition

Seit geraumer Zeit und vor allem im Zuge der muslimischen Zuwanderung haben wir in Deutschland eine Abendlanddebatte, die sich um das dreht, was eigentlich den Kern der europäischen Werteidentität ausmacht und worauf er diese zurückzuführen ist. Christentum oder Aufklärung, das ist die Frage, und nicht wenige beantworten sie damit, dass zwischen beiden eine grosse Schnittmenge bestehe.

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